Lektion 4: Konsum und Sklaverei
Der weltweite Aufstieg der kolonialen Genussmittel, den ich in der letzten Lektion beleuchtet habe, wäre ohne die gewaltsame Ausbeutung versklavter Menschen nicht denkbar.
In dieser Lektion geht es um die enge Verflechtung von Konsum und Sklaverei – von ihren antiken Ursprüngen über den transatlantischen Menschenhandel bis hin zur grausamen Realität der Plantagenarbeit.
Ich beleuchte dabei nicht nur die Rolle Europas, sondern ganz explizit auch die Rolle Deutschlands in diesen Systemen der Gewalt.
Denn letztlich erzählen die Kolonialwarenläden nicht nur von exotisierten Sehnsüchten nach Wohlstand und Ferne, sondern auch von eben jenem Wohlstand, der auf dem Rücken millionenfacher Entrechtung beruhte.

Konsum und Sklaverei
Ein sich-selbst-verstärkender-Zyklus
Im Laufe der Geschichte hat die Sklaverei nicht nur tiefe soziale und ethische Narben hinterlassen, sondern auch die wirtschaftlichen und konsumorientierten Strukturen Europas maßgeblich geprägt. Die Verfügbarkeit und der Konsum von Kolonialwaren in Europa waren eng mit den Strukturen der Sklaverei verknüpft. Das lag vor allem daran, dass die großangelegte Produktion von Waren wie Zucker, Tabak oder Kaffee auf Plantagen überhaupt erst durch die Arbeitskraft versklavter Menschen möglich war. Je mehr die Plantagen hervorbrachten, desto mehr Ware gelangte massenhaft nach Europa. Die Preise sanken, wodurch sich zunehmend breitere Bevölkerungsschichten diese Güter leisten konnten.
Das bedeutete im Umkehrschluss auch, dass immer mehr Sklavenschiffe die afrikanische Küste verließen, um in den Kolonien Arbeitskräfte für die Plantagen zu liefern.
Der durch die Sklaverei ermöglichte Wohlstand führte bei europäischen Kaufleuten, Adligen und Plantagenbesitzern zu erheblichen Kapitalansammlungen. Dieses Kapital wurde vielfach in die aufkommende Industrialisierung investiert und trug zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums bei. Die steigende industrielle Produktion wiederum erhöhte den Bedarf an Rohstoffen – viele davon wurden weiterhin aus den Kolonien importiert, etwa Baumwolle für die Textilindustrie.
So entstand ein sich selbst verstärkender Zyklus aus Ausbeutung, Handel und Konsum, dessen weltweite Auswirkungen bis heute spürbar sind – in der ungleichen Verteilung von Wohlstand, in prekären Arbeitsverhältnissen und in globalen Machtverhältnissen. [1][2]
Mit der Zeit kam es in Europa zunehmend zu moralischen und ethischen Konflikten. Im 18. und 19. Jahrhundert wuchs das Bewusstsein für die Brutalität der Sklaverei – ebenso wie die Kritik daran. Der Widerstand formierte sich zu breiteren Bewegungen. Ein wichtiges Mittel der Protestkultur war es, das Konsumverhalten der europäischen Bevölkerung gezielt anzusprechen. So riefen Aktivist*innen etwa zum Zuckerboykott auf – eine Form ethisch motivierten "Verbraucheraktivismus", bei der bewusst auf Zucker aus Sklavenarbeit verzichtet wurde. [3] In der Folge veränderte sich nicht nur die gesetzliche Lage zur Sklaverei international, sondern auch der Handel mit Kolonialwaren.
Insgesamt zeigt sich: Die Verflechtungen zwischen Sklaverei, Kolonialismus und europäischem Konsumverhalten hatten tiefgreifende und langfristige Auswirkungen, die bis heute in vielfältiger Form nachwirken. Ein kritischer Blick auf diese Geschichte ist unerlässlich, um die heutigen globalen Wirtschafts- und Machtverhältnisse zu verstehen – und um Verantwortung für eine gerechtere Zukunft zu übernehmen.
Bild: Tafel aus einem Wandgemälde von Diego Rivera von 1933. via Wikimedia Commons
Quellen:
1 vgl. Zeuske, Michael (2013): "Handbuch: Geschichte der Sklaverei." Berlin: Gruyter 2013
2 vgl. Marschelke, Jean- Christoph (2016): "Moderne Sklavereien. Aus Politik und Zeitgeschichte", 66(45–46). Bundeszentrale für politische Bildung https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/216478/moderne-sklavereien/
3 vgl. Kabisch, Jörn (2011): "Boykotteure für die Freiheit: Die Anti-Saccharisten" https://www.freitag.de/autoren/jkabisch/boykotteure-fur-die-freiheit-die-anti-saccharisten (zuletzt aufgerufen am 15. Mai 2025)
Hinweis: Diese Lektion kann nicht alle Facetten der Sklaverei, der Zwangsarbeit und der Wirtschaft des Kolonialismus umfassend abdecken. Vielmehr zielt sie darauf ab, einen Einblick zu geben, wie sich der Konsum in Europa vor dem Hintergrund dieser historischen Entwicklungen veränderte.
Hier findet ihr meine persönlichen Literaturempfehlungen, die tiefer in einige genannte Aspekte eintauchen:
Zucker, Schnaps und Nilpferdpeitsche von Dietmar Pieper
„Der Reiz des Buches liegt vor allem in der historischen Tiefenschärfe, mit der die Verflechtungen von Politik und Wirtschaft verfolgt werden. Es ist über die Hamburger Lokalgeschichte hinaus eine umfassende Darstellung des deutschen Kolonialismus und seiner Vorgeschichte seit dem 18. Jahrhundert.“ - Tagesspiegel
Heimkehren von Yaa Gyasi
„Der Roman öffnet die Augen darüber, wie sich Erfahrungen der Eltern in der Identität und den Lebensläufen der Kinder und Enkel niederschlagen. Die Bewegungen zwischen Zugehörigkeit und Entwicklung, Trauma und den folgen über Generationen werden in der erschütternden und berührenden Erzählung sichtbar“ Linda Richter, Stern
Die Sklaverei und die Deutschen von Jasmin Lörchner & Frank Patalong
“SPIEGEL-Autorinnen und Wissenschaftler gehen der deutschen Rolle in der Sklaverei nach: von der mittelalterlichen Leibeigenschaft über deutsche Kaufleute und Plantagenbesitzer der Kolonialzeit bis zu den Gefangenen im Zweiten Weltkrieg. Die Debatte, wie Sklaverei in Form von Rassismus und Benachteiligung bis in unsere Gegenwart nachwirkt, hat gerade erst begonnen. Hintergrundwissen liefert dieses Buch.“ - Spiegel
Geschichte der Sklaverei von Andreas Eckert
„Seit der Antike fällt der lange Schatten der Sklaverei auf die Weltgeschichte. Auch heute noch leben schätzungsweise 40 Millionen Menschen in "moderner Sklaverei". Andreas Eckert zeichnet in diesem Band die Geschichte einer Institution nach, die in ganz unterschiedlichen Ausprägungen in allen Weltregionen und allen Zeiten anzutreffen ist. Nicht zuletzt in Afrika und im atlantischen Raum spielte sie eine zentrale Rolle. Eckerts kenntnisreiche Darstellung geht auch der Frage nach, was Sklavenhändler und -halter dazu bewogen hat, derart grausame Verhältnisse zu schaffen und zu unterhalten, welche Spielräume Versklavte sich zu erkämpfen vermochten, und wie es dazu kam, dass aus einem akzeptierten Übel eine allgemein geächtete Abscheulichkeit werden konnte.“ - C.H.Beck
Die Liebeslieder des W.E.B du Bois von Honorée Fanonne Jeffers
"Ein triumphales Debüt über Schwarze Geschichte und das Aufwachsen im Süden der USA." - New York Times Book Review
Was ihr hier findet...
Die Entwicklung globaler Sklavensysteme
Sklaverei ist kein Phänomen der Kolonialzeit allein – sie reicht tief zurück in die Geschichte der Menschheit. In de folgenden Audiodatei werfen wir einen Blick auf die Ursprünge und Wandelbarkeit von Sklaverei: von der Antike und dem Mittelalter bis zum transatlantischen Menschenhandel. Wir fragen, wie Menschen in Afrika über die Jahrhunderte versklavt wurden, welche Rolle europäische Mächte spielten – und wie aus dem ältesten Ausbeutungssystem der Welt ein globales Geschäft wurde.
1 vgl. „Sklave“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, https://www.dwds.de/wb/Sklave 2 vgl. Walter, Rudolf (2004): Ganz zuunterst https://taz.de/Ganz-zuunterst/!726173/ 3 vgl. Flaig, Egon (2018). Weltgeschichte der Sklaverei, München: C.H.Beck (3.Auflage) S.33-72 4 vgl. Hamm, R. J. (2009, Dezember 2). Sklaverei – Zwischen Historie und Aktualität [Newsletter Nr. 22/09]. Lernen aus der Geschichte. https://lernen-aus-der-geschichte.de 5 vgl. Seewald, Berthold (2022): Auch im mittelalterlichen Europa florierte der Sklavenhandel https://www.welt.de/geschichte/article239543731/Schatzfunde-Ihre-toten-Koerper-wurden-einfach-auf-Muellhalden-entsorgt.html 6 Eckert, Andreas (2021): Geschichte der Sklaverei: Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert, C.H. Beck oHG, München 2021 7 vgl. Eckert, Andreas: Eckert, Andreas (2021): Der Handel mit Menschen aus Afrika in: Geschichte der Sklaverei: Von der Antike bis ins 21. Jahrhundert, München: C.H. Beck 2021 8 vgl. Koigi, B. (2024, Oktober 27). Der vergessene arabische Sklavenhandel. D+C | Entwicklung und Zusammenarbeit. https://www.dandc.eu/de/article/der-transatlantische-sklavenhandel-war-verheerend-fuer-afrika-und-praegt-den-kontinent-bis (abgerufen am12.2.2024) 9 vgl. Hellie, R. (n.d.). Slavery: Historical survey. In Encyclopaedia Britannica. Retrieved May 16, 2025, from https://www.britannica.com/topic/slavery-sociology/Historical-survey (abgerufen am 12.2.2024) 10 vgl. Mann, M. (2009). Sklaverei und Sklavenhandel im Indik, 16. bis 20. Jahrhundert (RAL Working Paper Nr. 3). Graduate Centre Humanities and Social Sciences, Research Academy Leipzig. https://home.uni-leipzig.de/~gchuman/fileadmin/media/publikationen/Working_Paper_Series/RAL_WP_3_Mann_web.pdf 11 vgl. Mann, M. (2010, September 3). Rezension zu: Deutsch, J.-G. (2006). Emancipation Without Abolition in German East Africa, c. 1884–1914; Alpers, E. A., Campbell, G., & Salman, M. (Hrsg.). (2007). Resisting Bondage in Indian Ocean Africa and Asia; Bosma, U., Giusti-Cordero, J., & Knight, R. (Hrsg.). (2007). Sugarlandia Revisited. Sugar and Colonialism in Asia and the Americas, 1800–1940. H-Soz-Kult. https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-11717 12 vgl. Eckert, Andreas (2009). Europa, Sklavenhandel und koloniale Zwangsarbeit in Journal of Modern European History, Vol.7, No.1, Europe, Slave Trade, and Colonial Forces Labour, pp.26-36 https://www.jstor.org/stable/10.2307/26265881 13 vgl. Weber, Klaus (2009). Deutschland, der atlantische Sklavenhandel und die Plantagenwirtschaft der Neuen Welt, in: Journal of Modern European History, 7 (2009) 1, S. 37–67. 14 vgl.Zeuske, M. (n.d.). Sklavenhandel. In Lateinamerika-Lexikon. Universität zu Köln. Abgerufen am 17. März 2025, von https://historicum-estudies.uni-koeln.de/leitfaeden/tutorium-geschichte-lateinamerikas/lateinamerika-lexikon/sklavenhandel 15 vgl. Flaig, Egon (2018): Option für Plantage - Option für Sklaverei. In Weltgeschichte der Sklaverei. (3.Aufkage) S. 165-171 16 vgl. Bundeszentrale für politische Bildung. (2017). Transatlantischer Sklavenhandel und Dreieckshandel. https://www.bpb.de/themen/kolonialismus-imperialismus/postkolonialismus-und-globalgeschichte/242213/transatlantischer-sklavenhandel-und-dreieckshandel/ 17 vgl. Fulwood III, S. (2020). Kolonialismus, Rassismus und Sklaverei: Es wird Zeit, sich zu erinnern. Heinrich-Böll-Stiftung. https://www.boell.de/de/2020/07/22/kolonialismus-rassismus-und-sklaverei-es-wird-zeit-sich-zu-erinnern 18 vgl. Mair, Stefan (2005): Ausbreitung des Kolonialismus https://www.bpb.de/themen/afrika/dossier-afrika/58868/ausbreitung-des-kolonialismus/ 19 Arndt, Susan (2004): Kolonialismus, Rassismus und Sprache https://www.bpb.de/themen/migration-integration/afrikanische-diaspora/59407/kolonialismus-rassismus-und-sprache/ (aufgerufen 20.3.2024) 20 vgl. Jones, R. (2022). The true story of the women warriors of Dahomey. National Geographic. https://www.nationalgeographic.com/history/article/the-true-story-of-the-women-warriors-of-dahomey 21 vgl. Bock, V., & Biermann, U. (2019). Aufstand auf dem Sklavenschiff [Audio]. NDR ZeitZeichen. https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Aufstand-auf-dem-Sklavenschiff,audio550444.html 22 Brendel, Gerd (2015): Von den Zuckerrohrplantagen in den Dschungel https://www.deutschlandfunk.de/maroons-in-surinam-von-den-zuckerrohr-plantagen-in-den-100.html 23 Buch, Hans-Christoph (2016). Vor 225 Jahren auf Haiti – Sklavenaufstand gegen die Kolonialmacht. https://www.deutschlandfunk.de/vor-225-jahren-auf-haiti-sklavenaufstand-gegen-die-100.html
Die Grausamkeit der Plantagensklaverei
Obwohl es viele unterschiedliche Tätigkeitsfelder in den Kolonien gab, waren die Kolonialwaren hauptsächlich Produkte, die auf großen Plantagen gebaut und geerntet wurden, Diese Plantagen sollen genauer betrachtet werden, um zu verstehen, was es bedeutete, im 17. Jahrhundert Zucker zu kaufen, während der Industrialisierung Kaffee zu trinken oder im Bürgertum dem Genuss von Schokolade nachzugehen.
Der Beginn des Zuckeranbaus
Zuckeranbau, auch in Verbindung mit Sklaverei, existierte bereits lange vor dem Kolonialismus – insbesondere in der arabischen Welt. Aus dem Libanon und Syrien übernahmen italienische Kaufleute das Handwerk und erprobten es im Mittelmeerraum auf eigenen Plantagen. Europäische Seefahrernationen wie Spanien und Portugal suchten schließlich nach eigenen Anbaugebieten und Handelsrouten. Mitte des 15. Jahrhunderts errichtete Portugal kleinere Zuckerplantagen auf den Kanarischen Inseln und auf Madeira, betrieben mit neuen wasserbetriebenen Mühlen und afrikanischen Sklaven und Sklavinnen.[1]
Ausweitung nach Brasilien
Im Jahr 1500 erreichte Pedro Álvares Cabral Brasilien, wo Portugal etwa 30 Jahre später die ersten Zuckerrohrplantagen der Amerikas anlegte. Zunächst zwang man die indigene Bevölkerung zur Arbeit. Als viele von ihnen den eingeschleppten Krankheiten erlagen, begann man, afrikanische Leibeigne zu importieren – gekauft an der westafrikanischen Küste, wo Portugal seit dem frühen 15. Jahrhundert Handelsbeziehungen aufgebaut und Stützpunkte errichtet hatte.[2] Die Region um Luanda, die heutige Hauptstadt Angolas, wurde zu einem bedeutenden Zentrum des Sklavenhandels. Hier wurden Menschen von lokalen Händlern oder rivalisierenden Gruppen gefangen genommen und an europäische Kaufleute verkauft, die sie nach Brasilien verschifften.[2] Diese Handelsstrukturen wurden durch Portugals Kontrolle über Küstengebiete und Inseln wie São Tomé und Príncipe gestützt, die als Zwischenstationen dienten.
In den 300 Jahren des atlantischen Sklavenhandels transportierten portugiesische Kolonialisten etwa 3,9 Millionen Afrikanerinnen und Afrikaner nach Brasilien zur Arbeit auf den Plantagen. Aufgrund dieser enormen Arbeitskraft dominierte Brasilien zwischen 1570 und 1680 den Weltmarkt für Zucker.[1]
Expansion der Plantagenwirtschaft
Andere europäische Mächte wie Frankreich, England und die Niederlande folgten und errichteten ebenfalls Plantagen in der Karibik und in Mittelamerika. Während sich Spanien vor allem auf den Abbau von Silber und Gold konzentrierte, besetzten englische Piraten und Freibeuter Barbados und Jamaika, französische Truppen eroberten Guadeloupe und Martinique. Auch dort setzte sich allmählich die Plantagenwirtschaft durch – der Import versklavter Afrikanerinnen und Afrikaner nahm rasant zu. [3]
Alternativen zur Sklavenarbeit
Es existierten Alternativen zur sklavistischen Plantagenwirtschaft, etwa in den Siedlungskolonien Nordamerikas oder durch befristete Zwangsarbeit, wie sie anfangs auf Barbados mit englischen und irischen Gefangenen praktiziert wurde. Doch die rassistische Vorstellung, Afrikaner*innen seien „robuster und widerstandsfähiger“, trug mit dazu bei, dass sich nahezu alle Seefahrernationen dem transatlantischen Sklavenhandel anschlossen. Auch nicht-maritime Staaten wie Deutschland beteiligten sich finanziell und logistisch. [4]
Unter welchen Bedingungen bauten Sklaven und Sklavinnen die Kolonialwaren ab?
Der Zuckerkaufmann Thomas Tryon beschrieb um 1700 die Zustände auf englischen Plantagen in Barbados mit folgenden Worten:
„[…] Es herrscht ein unablässiger Lärm und eine immerwährende Hitze, der Mensch kann gar nicht anders, als garstig und despotisch zu werden; es ist heiß, und die Arbeit reißt niemals ab, die Bediensteten (oder Sklaven) stehen Tag und Nacht in großen Siedehäusern, wo sechs oder sieben riesige Kupferkessel ständig am Kochen gehalten werden, aus denen sie mit schweren Schöpfkellen und Schaumlöffeln die kotartigen Abfälle des Zuckerrohrs abschöpfen, […] während andere im Versuch, die Öfen im Gang zu halten, gleichsam bei lebendigem Leib geröstet werden; ein Teil der Leute ist dauernd damit beschäftig, die Mühle mit neuem Zuckerrohr zu füttern, Tag und Nacht, die gesamte Zuckersaison hindurch.“ (zit. n. [6])
Die Arbeitsbedingungen auf den Plantagen waren extrem hart und oft unmenschlich. Versklavte Menschen arbeiteten unter brutalen Bedingungen: lange Arbeitszeiten, physische Bestrafungen und schlechte Ernährung prägten den Alltag. Die Arbeit begann meist vor Sonnenaufgang und dauerte bis in die Nacht. Pausen waren selten und meist sehr kurz, während die körperliche Belastung enorm war.[7]
Insbesondere auf Zuckerplantagen war die Arbeit extrem gefährlich und gesundheitsschädlich. Das Schneiden des Zuckerrohrs mit Macheten erforderte ständige gebückte Haltung; Verletzungen waren häufig. Auch bei der Weiterverarbeitung in Mühlen kam es zu schweren Unfällen – viele Arbeiterinnen und Arbeiter verloren Gliedmaßen oder wurden schwer verletzt.[7]
Die Lebensbedingungen der Sklaven waren ebenso schlecht. Sie lebten in überfüllten, schlecht belüfteten Hütten, die kaum Schutz vor den Elementen boten. Krankheiten wie Malaria, Gelbfieber und Dysenterie waren weit verbreitet und forderten viele Opfer. Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Sklaven auf den Plantagen war sehr niedrig; viele überlebten nur wenige Jahre nach ihrer Ankunft.[8]
Trotz der extremen Unterdrückung entwickelten die versklavten Menschen Formen des Widerstands und schufen soziale Strukturen, die ihnen halfen, zu überleben. Sie bildeten Familien, pflegten kulturelle Traditionen und fanden Wege, um heimlich Widerstand zu leisten, sei es durch verlangsamtes Arbeiten, Fluchtversuche oder Aufstände.[2]

Wirtschaftliche und soziale Auswirkungen des Plantagensystem
Das Plantagensystem hatte weitreichende wirtschaftliche und soziale Folgen – sowohl in den Kolonien als auch in Europa. Die enormen Profite, die durch den Anbau und Export von Kolonialwaren wie Zucker, Tabak, Kaffee, Tee, Kakao oder auch Baumwolle erzielt wurden, trugen maßgeblich zur Entwicklung der europäischen Wirtschaft bei. Diese Waren wurden zu erschwinglichen Preisen angeboten und veränderten die Konsumgewohnheiten in Europa nachhaltig. Zucker etwa, zuvor ein Luxusgut, wurde durch die massenhafte Produktion auf Plantagen zu einem alltäglichen Bestandteil der Ernährung.
In den Kolonien führte das Plantagensystem indes zu tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierungen. Die Konzentration auf den Export von Cash Crops – also Agrarprodukten, die für den globalen Markt und nicht für den lokalen Verbrauch bestimmt waren – verdrängte die Subsistenzwirtschaft, in der Bauern für den Eigenbedarf produzierten. Dadurch wurde die lokale Bevölkerung stark abhängig von globalen Marktpreisen und den europäischen Handelsnetzwerken. Diese Abhängigkeit verstärkte wiederum die koloniale Kontrolle und Ausbeutung. [4]
Auch auf die sozialen Strukturen hatte dieses System massiven Einfluss. Die strikte Hierarchie auf den Plantagen, mit einer kleinen europäischen Elite an der Spitze und einer großen Zahl versklavter Arbeitskräfte an der Basis, schuf gravierende soziale Ungleichheiten. Diese manifestierten sich in vielfältigen Formen von Widerstand und Rebellion unter den Versklavten, die trotz brutaler Unterdrückung immer wieder versuchten, ihre Freiheit zu erlangen.[5]
Die Gewinne aus dem Plantagensystem wurden in Europa reinvestiert und trugen wesentlich zur Finanzierung der Industriellen Revolution bei. So entstand ein Kreislauf: Die europäische Nachfrage nach Rohstoffen aus den Kolonien wuchs, was wiederum den Ausbau der Plantagenwirtschaft vorantrieb.[4]
Plantagensysteme nach dem Verbot der Sklaverei
Nach der Abschaffung der Sklaverei mussten die Plantagensysteme, die bis dahin auf Zwangsarbeit beruhten, ihre Betriebsweise anpassen, um weiterhin profitabel zu bleiben. Diese Umstellungen variierten je nach Region, doch einige Strategien lassen sich verallgemeinern:
Viele Plantagenbesitzer setzten auf sogenannte indentured laborers, also Vertragsarbeiter:innen, die häufig aus Indien oder China stammten. [10] Sie verpflichteten sich, für eine bestimmte Anzahl an Jahren auf den Plantagen zu arbeiten – meist im Austausch für die Überfahrt und grundlegende Versorgung. Insbesondere in der Karibik und in Teilen Südamerikas kamen sie zum Einsatz – und litten vielerorts unter ähnlich schlechten Bedingungen wie die früheren Sklav*innen. [9]
Ein weiteres System war das Sharecropping, bei dem ehemalige Sklaven und Sklavinnen oder arme Arbeiter*innen Landstücke pachteten und einen Teil ihrer Ernte als Pacht an den Landbesitzer abgeben mussten. Dieses System war in den Südstaaten der USA weit verbreitet. [11] Sie führte oft zu einer From der wirtschaftlichen Knechtschaft, da die Pächter von der Regel kaum genug Erträge erwirtschaften konnten, um ihre Schulden zu begleichen und sich aus der Armut zu befreien.[10]
Zudem begannen Plantagenbesitzer, Lohnarbeiter*innen einzustellen – ein bis heute gängiges System. Allerdings blieben die Löhne niedrig und die Arbeitsbedingungen schlecht, was immer wieder zu Konflikten führte. Technologischer Fortschritt ermöglichte in manchen Regionen den Einsatz von Maschinen, die menschliche Arbeitskraft teilweise ersetzten. [10]
In der Folge wurde vielerorts die Diversifizierung eingeführt: Statt nur ein einziges Cash Crop anzubauen, setzten viele Plantagen auf mehrere Produkte, um wirtschaftliche Risiken zu verringern. [9]
Vom Feld ins Regal
Ein direktes Resultat der Plantagenwirtschaft war das Aufkommen der Kolonialwarenläden in Europa – besonders in Ländern mit großen Hafenstädten. Diese Läden boten Produkte wie Zucker, Kaffee, Tee und Schokolade an, die in den Kolonien unter Zwangsarbeit hergestellt worden waren. Der Konsum dieser Waren nahm im 17. und 18. Jahrhundert stark zu, und Kolonialwarenläden wurden feste Bestandteile des städtischen Lebens. Die dort angebotenen Produkte standen symbolisch für Reichtum und Macht der Kolonialmächte – und waren zugleich Ausdruck eines Systems der Ausbeutung und Gewalt.
Die Geschichte zeigt, wie eng die wirtschaftlichen Interessen der europäischen Kolonialmächte mit den sozialen Strukturen der Kolonien und dem globalen Handel verflochten waren. Die Plantagenwirtschaft war ein wesentlicher Motor für den europäischen Wohlstand, aber sie basierte auf einem System der Unterdrückung und Ausbeutung, dessen Folgen noch heute spürbar sind.
Langfristige Auswirkungen
Auch nach dem formellen Ende der Sklaverei blieb die Plantagenwirtschaft ein System ökonomischer Ausbeutung. Neue Arbeitsformen wie Vertragsarbeit oder Sharecropping reproduzierten viele der alten Machtverhältnisse – oft unter anderem Namen. Der koloniale Zugriff auf Land, Arbeitskraft und globale Märkte setzte sich fort und prägt bis heute die wirtschaftliche Abhängigkeit vieler ehemals kolonialisierter Regionen.
Gleichzeitig hinterließ das Plantagensystem tiefe soziale Spuren – in Form von struktureller Ungleichheit, Rassismus und ungleichen Besitzverhältnissen. Die Geschichte der Kolonialwaren ist damit nicht nur eine Geschichte von Konsum und Geschmack, sondern auch eine von Zwang, Widerstand und bleibenden globalen Ungleichheiten.
Literaturverzeichnis: 1 vgl. Flaig, E. (2009). Weltgeschichte der Sklaverei (3. Aufl.). München: C.H. Beck. 2 vgl. Klein, H. S. (1999). The Atlantic Slave Trade. Cambridge: Cambridge University Press. 3 vgl. Curtin, P. D. (1990). Chapter 4: Capitalism, feudalism and sugar planting in Brazil. In The Rise and Fall of the Plantation Complex (2nd ed., pp. 51–53). Cambridge: Cambridge University Press. 4 vgl. Curtin, P. D. (1990). Chapter 4: Capitalism, feudalism and sugar planting in Brazil. In The Rise and Fall of the Plantation Complex (2nd ed., pp. 51–53). Cambridge: Cambridge University Press. 5 vgl. Battle, M. (o. D.). Plantations and the Trans-Atlantic Trade. Lowcountry Digital History Initiative. https://ldhi.library.cofc.edu/exhibits/show/africanpassageslowcountryadapt/introductionatlanticworld/plantations_before_the_transat 6 vgl. Flaig, Egon (2018): Option für Plantage - Option für Sklaverei in Weltgeschichte der Sklaverei, München: C.H.Beck 2009 (3.Auflage) 7 vgl. Schomburg-Scherff, S. (2004). Menschenfressende Plantagen. Journal Ethnologie. https://www.journal-ethnologie.de/Schwerpunktthemen/Schwerpunktthemen_2004/Sklaverei/Menschenfressende_Plantagen/index.html 8 vgl. Curtin, P. D. (1990). Chapter 13: Aftermath. In The Rise and Fall of the Plantation Complex (2nd ed.). Cambridge: Cambridge University Press. 9 vgl. Curtin, P. D. (1990). Chapter 13: Aftermath. In The Rise and Fall of the Plantation Complex (2nd ed.). Cambridge: Cambridge University Press. 10 vgl. Heimler’s History. (2022). Did slavery continue after the Civil War? [Video]. YouTube. https://www.youtube.com/watch?v=EaF8s01ikIg Bildquelle: The Illustrated London News. (1849, 9. Juni). Cane holeing, in a Jamaican plantation – Creusement des sillons pour la canne à sucre, Jamaïque [Stich]. The Illustrated London News, S. 388. via Wikimedia Commons
Wer sich weiter informieren möchte, wie es heute um die Plantagenwirtschaft der Kolonialwaren steht und unter welchen Bedingungen die Menschen arbeiten, kann folgenden Links folgen:
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Brasilien: Das Leid der Tagelöhner auf den Kaffee-Plantagen / Report von DW
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Kakaoproduktion an der Elfenbeinküste / Tagesschau (Übrigens: 50% der deutschen Schokoloadenhersteller beziehen ihre Schokolade von der Elfenbeinküste)
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Bittersüße Schokoladen / Weltspiegel
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El Salvador: Kinderarbeit auf Zuckerplantagen / Human Rights Watch
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Leistungsfähiger ohne Gebärmutter: Frauen auf Zuckerrohrplantagen in Indien / DW
Wirtschaft und Arbeit im Kolonialismus
Welche Rolle spielte Deutschland?
Welche Rohstoffe & Produkte importierte man aus den eigenen Kolonien?
Kaffee – vor allem aus Deutsch-Ostafrika; ein zentrales Konsumgut in Deutschland.
Kakao – aus Togo und Kamerun; Basis für die heimische Schokoladenproduktion.
Gewürze – Pfeffer, Zimt, Nelken und Ingwer aus dem Pazifikraum und Asien.
Tabak – als Rohstoff für Zigaretten importiert und teilweise auch in Deutschland angebaut.
Tee – ebenfalls Teil des kolonialen Warenspektrums, meist aus Asien.
Kautschuk & Gummi – essenziell für die Industrie, u. a. aus Deutsch-Neuguinea.
Palmöl – vielseitig einsetzbar, etwa für Seife und technische Produkte.
Aber auch Kopra, Südfrüchte, Hanf, Vanille und Elfenbein.
Jedoch blieben die Ausgaben für die Kolonien höher als die wirtschaftlichen Einnahmen durch den Import. [1] [2]
Welche Gebiete gehörten zum deutschen Kolonialreich?
In Afrika: Togo (1884 -1919), Kamerun (1884-1919), Deutsch-Südwestafrika (1884-1919, heute Namibia), Deutsch-Ostafrika (1885-1919, heute Tansania)
In China: Kiautschou und die Hafenstadt Tsingtau (1897-1919)
Südsee: Samoa (1900-1919), Deutsch-Neuguinea (1885-1919): Kaiser-Wilhelms-Land (Papua-Neuguinea, Bismarck-Archipel (Papua-Neuguinea), Marianen, Marshallinseln, Palau, Karolinen, Nauru
Zur Geschichte der deutschen Kolonien


Quellen: 1 vgl. DWM: Waffen für deutsche Kolonien – Beispiel Deutsch-Ostafrika. In: Kolonialismus begegnen. Dezentrale Perspektiven auf die Berliner Stadtgeschichte. URL: https://kolonialismus-begegnen.de/geschichten/dwm-waffen-fuer-deutsche-kolonien-beispiel-deutsch-ostafrika/ (05.11.2024). 2 vgl. Kolonial-Handels-Adressbuch 1912, Joh. Tesch (Hg.), 16. Jahrgang, Berlin 1912, S. 52. 3 vgl. van Laak, Dirk (2005). Über alles in der Welt. Deutscher Imperialismus im 19. und 20. Jahrhundert, München 4 vgl. Sriba, Arnulf (2014). Statistische Angaben zu den deutschen Kolonien. Deutsches Historisches Museum, Berlin
Wer sein Allgemeinwissen auffrischen und mehr über die deutsche Kolonialzeit sowie die Rolle deutscher Kaufleute darin erfahren möchte, findet hier die wichtigsten Eckdaten:
Frühe deutsche Verflechtungen im Sklavenhandel und der Kolonialwirtschaft
Früh beteiligt am Zuckeranbau
Schon im 15. Jahrhundert engagierten sich deutsche Kaufleute in der kolonialen Zuckerproduktion. Die Ravensburger Handelsgesellschaft betrieb in den 1420er Jahren Zuckerplantagen in Valencia. Das Handelshaus der Welser investierte in Zuckermühlen auf Teneriffa und war später auf Santo Domingo aktiv. 1528 erhielten sie das Monopol zur Lieferung von 4.000 versklavten Afrikaner*innen in spanische Kolonien – ein lukratives Geschäft, das sie portugiesischen Reedern überließen.[1]
Gewinne durch Tauschhandel
Die Fugger aus Augsburg verdienten am Sklavenhandel durch die Lieferung von Tauschgütern. Ihr Kupfer – teils aus Ungarn – wurde direkt in den portugiesischen Sklavenhandel eingespeist. 2008 wurde vor Namibias Küste ein Schiffswrack mit 17 Tonnen Kupferplatten gefunden, versehen mit dem Logo der Fugger.[1]

Erfolgreich auf internationalen Märkten
Weil Deutschland keine führende Seemacht war, suchten deutsche Händler ihr Glück im Ausland. Firmen wie Schröder & Co. (London), Rücker (Hamburg) oder die Dravemanns (Bremen) stiegen in den Kolonialhandel ein – oft mit nachhaltigem finanziellem Erfolg.[1]
Indirekte Beteiligung
Auch Reisende, Missionare und Forscher prägten das koloniale System. Ihre Berichte, Tagebücher und Predigten beeinflussten das öffentliche Bild der Kolonien. Während sich Alexander von Humboldt deutlich gegen Sklaverei aussprach, vermieden viele Missionare offene Kritik – aus Sorge um ihren Missionsauftrag.[2]
Literaturverzeichnis:
1 vgl. Weber, Klaus (2009). Deutschland, der atlantische Sklavenhandel und die Plantagenwirtschaft der Neuen Welt, in: Journal of Modern European History, 7 (2009) 1, S. 37–67.
2 vgl. Raphael-Hernandez, Heike (2015): Deutsche Verwicklungen in den transatlantischen Sklavenhandel. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/216485/deutsche-verwicklungen-in-den-transatlantischen-sklavenhandel/#footnote-target-
Bildquelle: Wikimedia Commons
Ein deutscher Kolonialherr in Togo, 1885
Wirtschaftspolitik in den deutschen Kolonien
Die wirtschaftliche Ausrichtung der deutschen Kolonien war von Beginn an umkämpft und spiegelte unterschiedliche Interessen von Siedlern, Kolonialbeamten und der Verwaltung in Berlin wider. Im Wesentlichen lassen sich drei Modelle der kolonialen Wirtschaftsführung unterscheiden: Plantagenwirtschaft, Siedlerfarmen und der Handel mit lokal produzierten Waren. Die Plantagenwirtschaft basierte auf Monokulturen wie Kaffee, Kakao, Baumwolle, Kautschuk und Palmöl und wurde vor allem in Kamerun, Deutsch-Ostafrika und im Pazifik verfolgt. Trotz der offiziellen Abschaffung der Sklaverei arbeiteten die einheimischen Menschen dort unter Bedingungen, die der früheren Plantagensklaverei erschreckend nahekamen – gekennzeichnet von hoher Arbeitsintensität, systematischer Enteignung und hoher Sterblichkeit. Unter Gouverneur Jesko von Puttkamer etwa wurde fruchtbares Land am Kamerunberg beschlagnahmt, die ansässige Duala-Bevölkerung zwangsumgesiedelt.[1]
Parallel dazu wurde besonders in Deutsch-Südwestafrika auf eine kleinere, von deutschen Siedlern betriebene Farmwirtschaft gesetzt. Diese sollte der dauerhaften Ansiedlung dienen und war mit weitreichenden Enteignungen verbunden. Der dortige Gouverneur Theodor Leutwein unterstützte aktiv die Umsiedlungspolitik zugunsten deutscher Farmer. Auch in Deutsch-Ostafrika wuchs ihre Zahl – bis 1914 auf rund 600. Diese Siedler stellten eine einflussreiche Lobby dar, die kontinuierlich mehr Land einforderte.[1]
Ein drittes Modell konzentrierte sich auf den Handel mit Produkten aus der lokalen Wirtschaft, der insbesondere von liberalen Wirtschaftskreisen in Berlin und Teilen der Kolonialverwaltungen favorisiert wurde. Diese Strategie versprach wirtschaftliche Stabilität mit geringerem Konfliktpotenzial. Die koloniale Regierung setzte dabei auf das afrikanische Kleinbauerntum, das bereits bestehende Handelsnetzwerke betrieb. [1] Diese Form der Wirtschaftsführung wurde auch von Missionaren befürwortet, die hierin einen Schutz vor kultureller Zerstörung und sozialer Verelendung sahen.[1]
Zentral für alle Wirtschaftsmodelle blieb jedoch die sogenannte „Arbeiterfrage“. Nach dem Verbot der Sklaverei stellte sich die Herausforderung, weiterhin ausreichend Arbeitskräfte zu mobilisieren. Die deutsche Verwaltung reagierte mit einer Reihe von Maßnahmen, die formal legal, de facto jedoch oft Zwangsarbeit waren: Dazu gehörten Steuerpflichten wie die Kopfsteuer, die Einheimische zur Lohnarbeit nötigten, die Rekrutierung asiatischer Kontraktarbeiter, rassistisch begründete Arbeitsideologien sowie die fortgesetzte Duldung der Sklaverei durch lokale Eliten – besonders in Deutsch-Ostafrika, wo um 1900 noch rund 400.000 Menschen versklavt waren.[1][2] Die Grenze zwischen freier und unfreier Arbeit blieb dabei stets unscharf. Diese Politik markierte einen tiefen Einschnitt in vielen Regionen. In Deutsch-Südwestafrika beispielsweise standen 90 % der Männer im Dienst der deutschen Kolonialherren.[1]
Sie setzten sich über Individuen und Gemeinschaften hinweg und veränderten Strukturen wie die soziale und geschlechterspezifische Arbeitsteilung indem sie beispielsweise Frauen von der Feldarbeit abzogen, im Sinne der patraicharen Monogamie und als Beitrag zur "Emanzipation". [3]
Ein erschreckender Einblick in die koloniale Praxis bietet ein Artikel aus der Kolonialzeitschrift von 1912 [Titel aus Gründen der sprachlichen Sensibilität gekürzt], der heute über die Deutsche Digitale Bibliothek zugänglich ist – ein Zeugnis kolonialer Gewalt und entmenschlichender Ideologie, das deutlich macht, wie tief Arbeitszwang und Rassismus in das System eingebettet waren.

Literaturverzeichnis: 1 vgl. Conrad, Sebastian (2023). Wirtschaft und Arbeit. In Deutsche Kolonialgeschichte S.54-61 2 vgl. Eckert, Andreas (2011). Der langsame Tod der Sklaverei. Unfreie Arbeit und Kolonialismus in Afrika im späten 19. und im 20. Jahrhundert, in: Elisabeth Hermann-Otto (Hg.): Sklaverei und Zwangsarbeit zwischen Akzeptanz und Widerstand, Hildesheim/Zürich/New York 2011, S. 309-322. 3 vgl. Martha Mamozai (1990). Herrenmenschen – Frauen im deutschen Kolonialismus, Rowohlt, Hamburg, S. 82. 4 vgl. Merensky, D. A. (1912). [Titel aus Gründen der sprachlichen Sensibilität gekürzt]. In Kolonialzeitung (Ausgabe 25). Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg Carl von Ossietzky. https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/B5I3DJOMAQ2AMC3ICGG3YVU6ESUEEYHQ Bildquelle: Unbekannter Fotograf. Aus Die Feldspurbahnen Südwestafrikas by Gustav Röhr, 1967 via Wikimedia Commons
Eine Feldspurbahn in Deutsch-Südwestafrika, 1900-1910
Hier gibt es noch etwas für die Ohren...
Wie die Praxis der Zwangsarbeit und der Alltag in den Kolonien konkret aussah, zeigt der Fall der sogenannten Dahomey-Versklavten.
In der letzten Folge dieser Lektion erzähle ich euch, wie über 370 Menschen aus dem Königreich Dahomey nach Kamerun gebracht wurden, unter welchen Bedingungen sie dort leben und arbeiten mussten – und wie ihr Widerstand schließlich in einem gewaltsamen Aufstand endete.
1 vgl. Conrad, Sebastian (2023): Wirtschaft und Arbeit in Deutsche Kolonialgeschichte. S.54-61. München: C.H.Beck 2 vgl. Pieper, Dietmar (2023): Berlin, Südkamerun, Dahomey in Zucker, Schnaps und Nilpferdpeitsche. S.184-190 München: Piper Verlag GmbH 3 vgl. Van Laak, Dirk (2005): Deutschland in Afrika - Der Kolonialismus und seine Nachwirkungen. Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 04/2005) - Deutschland in Afrika. Der Kolonialismus und seine Nachwirkungen. https://www.bpb.de/themen/afrika/dossier-afrika/58870/deutschland-in-afrika-der-kolonialismus-und-seine-nachwirkungen/ 4 vgl. Raphael-Hernandez, Heike (2015): Deutsche Verwicklungen in den transatlantischen Sklavenhandel. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/216485/deutsche-verwicklungen-in-den-transatlantischen-sklavenhandel/#footnote-target-1