
Die Kolonialwarenläden
Von Schaufenstern einer Globalen Verflechtung

Das hier ist das Elternhaus meines Stiefvaters. Vor einigen Jahren besuchten wir hier seine Eltern. Er erzählte mir, dass seine Großmutter einst – dort, wo heute das Wohnzimmer ist – einen Kolonialwarenladen betrieb. Ich wurde hellhörig.
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Bis dahin hatte ich nicht allzu viel über den deutschen Kolonialismus gewusst. Kolonialwaren? Was konnte man sich darunter vorstellen? Ich begann zu recherchieren und begriff, dass es sich dabei nicht bloß um den Vorläufer unserer heutigen Supermärkte handelte. Diese Läden waren das Produkt kolonialer Machtverhältnisse, eines sich wandelnden Konsumverhaltens – und einer Summe zahlreicher Fernweh-Exzesse, getragen von der Sehnsucht nach sogenannter „Exotik“, der Faszination für das vermeintlich Fremde und dem Wunsch, sich die Welt im Konsum einzuverleiben.
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Jetzt mag das für den Einen oder Anderen vielleicht sehr kritisch klingen. Selbstredend ist alles, was den Kolonialismus ausmachte und was er hervorbrachte kritisch zu betrachten – ja, gänzlich zu verurteilen. Doch diese Arbeit will nicht nur ein weiteres Mal belegen, dass der Kolonialismus Leid brachte, seine Methoden brutal und seine Konsequenzen verheerend waren. Ich erzähle hier die Geschichte der Kolonialwarenläden, ihrer Produkte und ihrer Vergangenheit – einer Vergangenheit, die von Gewalt, Ausbeutung und rassifizierter Arbeitspolitik geprägt war.
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Ich will damit auch an eine Zeit erinnern, an die sich viele Deutsche Jahrzehntelang kaum erinnern wollten und darauf aufmerksam machen, dass wir es heute – Jahrhunderte nachdem Portugal die ersten versklavten Menschen auf Zuckerplantagen für den europäischen Markt verschiffte – noch immer mit kolonialen Kontinuitäten zu tun haben, die unser heutiges Konsumverhalten durchziehen.
Diese Website versteht sich als Bildungsangebot, als ein gesammeltes Werk zur Geschichte unserer exotisierten Warenwelt. Und wer weiß, vielleicht fühlt sich jemand von euch inspiriert, auf die Herkunft seiner Produkte in Zukunft etwas mehr zu achten. Doch letztlich ist dies kein Appell an das Ende der Konsumkette – und auch keiner an die Menschen, die einst Kolonialwarenläden betrieben. Wenn ich appellieren möchte, dann an Politik und Wirtschaft, an diejenigen, die kolonialen Machtverhältnisse einst aufbauten, sie lange pflegten – und bis heute fortführen.
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Diese Website ist aus der Perspektive einer weißen Konsumentin aus einem europäischen Kontext verfasst – aus einer Position heraus, die selbst Teil jener Strukturen ist, die hier thematisiert werden. Ich schreibe nicht aus neutraler Distanz, sondern in dem Bewusstsein, in koloniale Kontinuitäten verstrickt zu sein: in Konsumgewohnheiten, in Erinnerungskulturen, in globale Machtverhältnisse. Diese Arbeit ist daher auch eine persönliche Suche nach historischem Verständnis und politischer Verantwortung.
In den folgenden 4 Lektionen stehen euch Texte, Bildergalerien und Audiobeiträge zur Verfügung, mit denen ihr euer Wissen vertiefen könnt – ergänzt durch Hinweise (und dem Aufruf) zum Weiterlesen.
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Um ein umfassendes Bild zu zeichnen (was mir sicher nicht in jedem Aspekt gelingen konnte) habe ich mich nicht ausschließlich mit der Entstehung und Entwicklung von Kolonialwarenläden befasst, sondern insbesondere mit den kolonialen Handelsbestrebungen Europas, den Genussmitteln, die wir heute so selbstverständlich konsumieren und der Plantagenökonomie die den Motor des Sklavenhandels und der Zwangsrekrutierung bildete.
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Für Anmerkungen, Verbesserungsvorschläge und Kommentare, findet ihr meinen Kontakt im Impressum.
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