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Lektion 2: Der europäische Kolonialismus

Europäischer Kolonialismus bedeutete mehr als nur Eroberung fremder Länder. Er war ein umfassendes Projekt wirtschaftlicher Ausbeutung, kultureller Überformung und politischer Herrschaft, das über Jahrhunderte hinweg das Leben von Millionen Menschen prägte – und bis heute nachwirkt.

In dieser Lektion blicken wir auf die kolonialen Bestrebungen der europäischen Mächte: Welche Motive trieben sie an? Welche Strategien verfolgten sie? Und wie veränderten sich Wirtschaft, Gesellschaft und Weltbilder im Zuge der Expansion?

Dabei geht es nicht nur um große "Entdeckungsfahrten" und berühmte Namen, sondern auch um die vielschichtigen Folgen, die Kolonialismus in den Alltag von Kolonisierten und Kolonisierenden gleichermaßen einschreiben sollte.

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Was bedeuten diese großen Begriffe?

Kolonialismus…

„…bezeichnet die Ausdehnung der Herrschaftsmacht europäischer Länder auf außereuropäische Gebiete mit dem vorrangigen Ziel der wirtschaftlichen Ausbeutung. Zwar waren im Zeitalter der Entdeckung auch missionarische Gründe und der Handel für den K. maßgeblich (seit der industriellen Revolution […] v.a. der Bezug billiger Rohstoffe); im Vordergrund stand jedoch immer die Mehrung des Reichtums der Kolonialherren und Mutterländer. 1914 befand sich über die Hälfte der Weltbevölkerung unter direktem kolonialen Einfluss. Insb. nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine weitgehende Dekolonialisierung. Obwohl die ehemaligen Kolonialstaaten nun formal unabhängig waren, blieben aufgrund der geschaffenen Strukturen (künstliche Grenzen, mangelhafte Infrastruktur, einseitige wirtschaftliche Orientierung etc.) kulturelle, wirtschaftliche u. a. Abhängigkeitsstrukturen bestehen.“

 

Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

„Kolonialismus ist eine durch ausgeübte bzw. permanent angedrohte Gewalt gestützte Herrschaftsbeziehung zwischen Kollektiven, bei welche die fundamentalen Entscheidungen über die Lebensführung der Kolonisierten durch eine kulturell andersartige und kaum anpassungswillige Minderheit von Kolonialherrschern unter vorrangiger Berücksichtigung externer Interessen getroffen und tatsächlich durchgesetzt werden.Damit Verbiden sich in der Neuzeit sendungsideologische Doktrinen der Selbstermächtigung, die auf der Überzeugung der kolonialen Machthaber von ihrer eigenen kulturellen und oft auch biologischen Höherwertigkeit beruhen. Wegen der schwachen Legitimitätsgrundlagen von Kolonialismus ist seine Geschichte von einer Gegengeschichte von Widerspruch und Widerstand begleitet.“ 

 

Quelle: Osterhammel, Jürgen (2009): Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen. 6. durchges. Aufl. München: C.H.Beck 

Imperialismus…

„…[lat.] bezeichnet die zielstrebige Erweiterung und den systematischen Ausbau des wirtschaftlichen, militärischen, politischen und kulturellen Macht - und Einflussreiches eines Staates in der Welt. 

Als Zeitalter des Imperialismus gilt der Zeitraum zwischen 1870 bis 1918, in dem z.B. die europäischen Mächte (GBR, FRA, BEL,PRT, DEU) Afrika untereinander aufteilten.“

 

Quelle: Schubert, Klaus/Martina Klein: Das Politiklexikon. 7., aktual. u. erw. Aufl. Bonn: Dietz 2020. Lizenzausgabe Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.

Kolonie…

„… ist ein durch Invasion (militärische Eroberung und/oder Siedlungskolonie) in Anknüpfung an vorkoloniale Zustände neu geschaffenes politisches Gebilde mit zumindest rudimentären Staats- und Verwaltungsorgangen. Seine Machthaber stehen in dauerhaften Abhängigkeitsbeziehungen zu einem räumlich entfernten ‚Mutterland‘ oder imperialen Zentrum, das exklusiv Besitzansprüche auf die Kolonie erhebt. Die Kolonisierten werden pauschal als Untertanen betrachtet und behandelt, deren Interessen in der Herrschaftsordnung umrepräsentiert bleiben.“ 

 

Quelle: Osterhammel, Jürgen (2009): Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen. 6. durchges. Aufl. München: C.H.Beck

Freihandelsimperialismus...

...bezeichnet eine Form des Imperialismus, bei der wirtschaftlich stärkere Staaten andere Länder durch die Durchsetzung von Freihandelspolitik – oft gegen deren Willen – in eine von ihnen abhängige, offene Wirtschaftsbeziehung zwingen. Dabei geht es weniger um direkte, formelle Kolonialherrschaft, sondern vielmehr um informelle Kontrolle und Einflussnahme, um eigene wirtschaftliche Interessen durchzusetzen.[1] 

 

Im Kern bedeutet Freihandelsimperialismus, dass Industriestaaten (vor allem im 19. Jahrhundert Großbritannien) protektionistische oder abgeschottete Märkte anderer Länder mittels politischem, wirtschaftlichem oder auch militärischem Druck für ihre eigenen Produkte öffnen. Dies geschieht häufig durch sogenannte „ungleiche Verträge“, die den betroffenen Ländern Handelsfreiheit aufzwingen und ihnen die Möglichkeit nehmen, eigene Industrien oder Märkte zu schützen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist der Opiumkrieg, nach dessen Ende China gezwungen wurde, seine Märkte für britische Waren zu öffnen und den Import von Opium zuzulassen.[2]

Quellen:

1 vgl. Bley, Helmut & König, Hans-Joachim (2019) "Freihandelsimperialismus" in Enzyklopädie der Neuzeit Online publ. Brill, https://doi.org/10.1163/2352-0248_edn_COM_266249

2 vgl. Cain, P. J., & Hopkins, A. G. (2001). British Imperialism, 1688–2000 (2nd ed.). London: Longman.

Ein kurzer zeitlicher Überblick: 

15. - 17. Jahrhundert

Frühe Koloniale Expansion

Mit den Entdeckungsfahrten portugiesischer und spanischer Seefahrer begann ab dem 15. Jahrhundert die europäische Expansion nach Afrika, Asien und Amerika. Zunächst standen Gold, Gewürze und Sklavenhandel im Mittelpunkt. Die Entstehung erster Handelsstützpunkte und Plantagen legte die wirtschaftlichen Grundlagen für den späteren Kolonialwarenhandel.

1780 - 1870

Industrialisierung und steigender Rohstoffbedarf

Mit der Industrialisierung stieg der europäische Rohstoffbedarf rapide an. Kolonien lieferten nicht nur exotisierte Genussmittel, sondern auch Rohstoffe für die industrielle Produktion. Kolonialwaren wurden damit zu Alltagsprodukten, während koloniale Herrschaftsstrukturen immer brutaler und wirtschaftlich rationalisierter wurden.

1880 – 193

Kolonialwaren im Alltag und Konsumkultur 

Kolonialwarenläden brachten die koloniale Welt in deutsche Städte und Dörfer. Kaffee, Tee, Zucker und Gewürze wurden Teil alltäglicher Konsumgewohnheiten – begleitet von Bildern, die exotische Ferne und koloniale Macht inszenierten.

18.- 19. Jahrhundert 

Wettlauf um Kolonien und Rohstoffe 

Im 18. Jahrhundert wuchs das koloniale Engagement: Großbritannien, Frankreich, Spanien, Portugal, die Niederlande und zunehmend auch Deutschland konkurrierten um Territorien. Koloniale Besitzungen wurden zu Prestigeobjekten, aber auch zu wirtschaftlichen Zentren – insbesondere für den Anbau und Export von sogenannten Kolonialwaren wie Kaffee, Tee, Kakao und Zucker.

1880 – 1914

Der Hochimperialismus & Berliner Kongokonferenz (1884/85)

Das “Zeitalter des Hochimperialismus” war geprägt von aggressiver Landnahme – etwa in Afrika (Berliner Kongokonferenz 1884/85). Deutschland beteiligte sich aktiv am späten kolonialen Wettlauf. Kolonialwarenläden profitierten von dieser Expansion, indem sie das wachsende Angebot an „exotischen“ Produkten an eine breite Bevölkerung vermittelten – begleitet von kolonial geprägten Werbebildern und Konsumideologien.

Ab 1945 

Der Lange Weg der Dekolonialisierung​

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen viele Kolonien in Afrika, Asien und der Karibik, ihre Unabhängigkeit zu erkämpfen. Doch die formale Entkolonialisierung bedeutete nicht das Ende kolonialer Strukturen: Ökonomische Abhängigkeiten, kulturelle Dominanz und rassistische Ideologien blieben vielfach bestehen. Der Kolonialismus lebt fort – nicht nur in globalen Machtverhältnissen, sondern auch im Konsumalltag, in Vorstellungen von Exotik und in historischen Erzählungen.

Hört euch jetzt die Audiofolge zum Thema an. 

 

​Die wichtigsten Ereignisse und ein paar essentielle Begriffe habt ihr nun bereits kennengelernt.

 

Um euer Wissen zu vertiefen könnt ihr jetzt 25 Minuten meiner Stimme lauschen, die euch ein paar der wichtigen Fakten und die verschieden Phasen des europäischen Kolonialismus näher bringt. Passende Bilder und Darstellung, sowie alle Literaturangaben findet ihr, wenn ihr weiter scrollt. 

Europäischer Kolonialismus: Eine Zusammenfassung
00:00 / 26:14
Quellen und Literatur 

1 Girault, Arthur (1921): Principes de colonisation et de législation coloniale, Bd.1, Paris 1921, S.17

2 vgl. Osterhammel, Jürgen (2009): Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen. S. 33 f. 6. durchges. Aufl. München: C.H.Beck

3 vgl.  Bernecker, W. L. (2014). Geschichte Portugals: Vom Spätmittelalter bis zur Gegenwart (3., aktual. Aufl.). München: C.H. Beck.

4 vgl. Betz, J. (2007). Epochen der indischen Geschichte bis 1947. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/asien/indien/44384/epochen-der-indischen-geschichte-bis-1947/

5 vgl. Zeuske, M. (2021). Sklaverei: Eine Menschheitsgeschichte von der Steinzeit bis heute (2., überarb. und erw. Aufl.). Ditzingen: Reclam. S.92 - 111

6 vgl. Flaig, E. (2009). Option für Plantage – Option für Sklaverei. In Weltgeschichte der Sklaverei (3. Aufl.). München: C.H. Beck. S.165-171

7 vgl. Mair, S. (2005). Ausbreitung des Kolonialismus. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/afrika/dossier-afrika/58868/ausbreitung-des-kolonialismus/

8 vgl. Metzler, G. (2018). Die Epoche des Hochimperialismus. Informationen zur politischen Bildung, Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/izpb/europa-zwischen-kolonialismus-und-dekolonisierung-338/280652/die-epoche-des-hochimperialismus/ 

9 vgl. Osterhammel, J. (2009). Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen (6., durchges. Aufl.). München: C.H. Beck.

10Osterhammel, J. (2009). 1630–1680: Grundlegung der Plantagenökonomie. In Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen (S. 37). München: C.H. Beck.

11 vgl. Osterhammel, Jürgen (2018): Zur Geschichte des Freihandels. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/263043/zur-geschichte-des-freihandels/

12 vgl. Osterhammel, J. (2009). 1880–1900: Neue Koloniebildungen in der Alten Welt. In Kolonialismus. Geschichte – Formen – Folgen (S. 40 ff.). München: C.H. Beck.

13 vgl. Osterhammel, J. (2012). Das 19. Jahrhundert. Informationen zur politischen Bildung, Nr. 315. Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/263043/zur-geschichte-des-freihandels/

14 vgl. Singh, S. K. (2015). COLONIALISMS, NATIONALISM AND VIETNAM’S STRUGGLE FOR FREEDOM. Proceedings of the Indian History Congress, 76, 620–630. http://www.jstor.org/stable/44156629

15 vgl. Reinhardt, W. (2016). Die Unterwerfung der Welt: Globalgeschichte der europäischen Expansion 1415–2015. München: C.H. Beck.

16 vgl. Afigbo, A. E. (2009). Africa and the Abolition of the Slave Trade. The William and Mary Quarterly, 66(4), 705–714. http://www.jstor.org/stable/40467537

Tipps, für alle die weiterlesen möchten...

Portugal: Kleines Land ganz groß? / Mit offenen Karten / Arte Mediathek

Schätze der Welt Spezial: Die Eroberung der neuen Welt - Das Spanische Weltreich / ARD Mediathek

"Kolonialismus" Zeitschrift Aus Politik und Zeitgeschichte / Ausgabe Nr. 44–45/2012 / Bundeszentrale für poltische Bildung 

"Kolonialismus: Geschichte, Formen, Folgen" von Jürgen Osterhammel

"Dekolonisierung des Denkens: Essays über afrikanische Sprachen in der Literatur" von Ngugi wa Thiong'o

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Dekoloniale: Erinnerungskultur in der Stadt / Gemeinschaftsprojekt verschiedener Initiativen

Kulturprojekt zur kritischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des Kolonialismus und mit dessen Folgen gestartet. 

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