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Ein paar Worte zum Abschluss

Der Philosoph George Santayana sagte einst:

Those who cannot remember the past are condemned to repeat it.“

Sinngemäß bedeutet das: Wer sich an die Geschichte nicht erinnert, wird ihre Fehler wiederholen.

 

Diese Website möchte an die Geschichte der Kolonialwarenläden erinnern – jene Orte, die einst das Stadtbild vieler europäischer Städte prägten und als Schaufenster einer globalen Verflechtung dienten. Mancherorts findet man sie bis heute, nostalgisch verklärt, als Orte vergangener Geschäftigkeit.

 

Doch die Geschichte, die erzählt wird, ist oft die Perspektive der Gewinner. Die dunklen Seiten, die Schicksale von Gewalt, Ausbeutung und Entrechtung, bleiben allzu oft unerwähnt.

Deshalb begann dieses Projekt als Erzählung über den Ursprung des Einzelhandels – und führte schließlich tief hinein in die Geschichte der Sklaverei, der Plantagenwirtschaft und des globalen Kolonialismus.

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Inwiefern ist das alles heute noch relevant?

Kennt ihr noch die Filialen von Kaiser’s? Die Supermarktkette wurde 2018 von Edeka übernommen und ist seitdem aus dem Stadtbild verschwunden. Doch die Geschichte dieser Kette kann stellvertretend als Erfolgsgeschichte des Kolonialwarenladens gelesen werden:

 

Die Geschichte von Kaiser’s Kaffee-Geschäft beginnt 1880 mit Josef Kaiser, der als 18-Jähriger in das elterliche Kolonialwarengeschäft einstieg. Mit einer Erfindung zum gleichmäßigen Rösten von Kaffeebohnen traf er den Nerv der Zeit: Immer mehr Menschen konnten sich den kleinen Luxus von fertig geröstetem Kaffee leisten. Neben Kaffee bot Kaiser bald auch Schokolade, Tee und Gebäck an. Ab den 1880er-Jahren mechanisierte er den Betrieb, eröffnete erste Filialen in Duisburg, Essen und Bochum und baute ein deutschlandweites Filialnetz auf – mit einheitlichem Sortiment, niedrigen Preisen und strikten Standards für Personal und Ausstattung. Um 1900 zählte Kaiser’s schon mehrere Hundert Filialen in besten Innenstadtlagen, mit einem markanten Logo: einem freundlichen Kaffeekannengesicht.[1]

 

Die Entwicklung von Kaiser’s Kaffee-Geschäft zeigt beispielhaft, wie eng Kolonialwarenläden mit der Ausweitung globaler Handelsnetze, industriellem Fortschritt und sich verändernden Konsumgewohnheiten in Deutschland verbunden waren. Solche Unternehmen machten den Zugang zu Produkten wie Kaffee, Schokolade oder Tee für immer mehr Menschen erschwinglich. 

 

Damals war Kaiser’s zwar nicht der einzige Kolonialwarenladen, der expandierte – die Genossenschaft, die wir heute als EDEKA kennen, gründete sich nur wenig später im Jahr 1907. Doch Kaiser’s Filialen waren Vorreiter und damit die direkten Vorläufer unserer Supermarktketten, wie wir sie heute kennen.

 

Die Filialen von Kaiser’s sind verschwunden, doch das Prinzip lebt fort: Die Supermärkte, die heute unseren Alltag prägen, sind direkte Erben dieser frühen Kolonialwarenläden. Auch heute laden Produkte aus ehemaligen Kolonien in unseren Einkaufswägen – Kaffe, Zucker, Tee oder Kakao. Die eigentliche Veränderung ist nicht das Ende von Ausbeutungsstrukturen, sondern ihre Anpassung an einen Konsum, der heute vielfach größer und globaler ist als je zuvor.

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Schlendern wir heute durch die Gänge unserer Supermärkte, begegnen wir denselben Fragen: Unter welchen Bedingungen wurde diese Ware produziert? Wer profitiert von den steigenden Preisen? Wer trägt die Kosten? Und wie können wir als Konsument*innen verantwortungsvoll handeln?

 

Diese Fragen zu stellen und das Wissen darüber zu teilen, ist ein erster Schritt. Denn so wie die Geschichte der Kolonialwarenläden zeigt, dass globale Handelsketten und Konsum schon immer eng mit Ausbeutung verknüpft ist, erinnert sie uns heute daran, dass sich echte Veränderung nur einstellen, wenn wir über faire Produktionsbedingungen, gerechte Handelsbeziehungen und unsere Rolle als Verbraucher*innen sprechen und daraus ein verantwortungsbewusstes Handeln entspringt. Denn jede Entscheidung an der Supermarktkasse ist auch ein Schritt in die Richtung, in der wir unsere Geschichte weiterschreiben wollen.

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[1] Wolters, Beatrix (o.D). Firma von Weltruf: Zeitreise rund um Kaiser’s Kaffee. Verein für Heimatpflege. https://heimatverein-viersen.de/blog/firma-von-weltruf-zeitreisen-rund-um-kaisers-kaffee/#:~:text=Die%20verbliebenen%20Filialen%20wurden%20teilweise,auf%20dem%20Viersener%20Friedhof%20beigesetzt. (Zuletzt aufgerufen am 28.6.2025)

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Laut Statista (2025) liegt Kaffee auf dem dritten Platz der meistkonsumierten Getränke in Deutschland. Der Pro-Kopfverbrauch lag zuletzt bei 164 Liter pro Jahr. Im Jahr 2024 lag der Gesamtumsatz mit Kaffe in Deutschland bei 3,15 Milliarden Euro. [1]  So alltäglich Kaffee heute ist – hinter jeder Bohne stecken lange Lieferketten, in denen soziale Ungleichheit, niedrige Erzeugerpreise und koloniale Kontinuitäten bis heute nachwirken. 

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[1]  Gerhas, J. (2025). Kaffee – Statistiken und Daten. https://de.statista.com/themen/171/kaffee/#topicOverview

Wie wir gelernt haben, war Zucker ein wesentlicher Motor für den Aufbau von Monokulturen. Die Arbeit auf Zuckerplantagen galt als eine der härtesten und gefährlichsten überhaupt. Heute stammen große Teile unseres Zuckers aus der heimischen Zuckerrübenproduktion – doch noch immer werden jährlich rund 1,7 Millionen Tonnen Zucker zusätzlich importiert (Stand 2023/24 laut [2]).

Das weiße Gold ist weiterhin von hitzigen Debatten begleitet: Als Krankmacher, ungesunder Appetitmacher und Instrument einer mächtigen globalen Lobby hat Zucker keinen besonders guten Ruf.​ Darüber hinaus steht Zucker bis heute symbolisch für die Frage, wie sehr unser Konsumverhalten, globale Lieferketten und gesundheitliche Verantwortung miteinander verknüpft sind – und wer am Ende davon profitiert oder die Folgen trägt.

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[2] Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat.https://www.bmel-statistik.de/ernaehrung/versorgungsbilanzen/zucker-glukose

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Wie kann Konsum in einer globalisierten Welt fairer, nachhaltiger und dekolonialer gestaltet werden?

Ob Kaffee, Zucker oder Tee – in vielen alltäglichen Produkten stecken bis heute globale Ungleichheiten, die aus kolonialen Strukturen erwachsen sind. Ein dekolonialer und nachhaltiger Konsum bedeutet, diese Verflechtungen zu erkennen – und danach zu handeln. Dabei liegt die Verantwortung nicht allein bei uns als Konsumierenden, sondern bei Politik, Unternehmen und Gesellschaft gleichermaßen.

 

Wir als Verbraucherinnen sind starke und schwache Akteurinnen zugleich: Unsere Kaufentscheidungen können Märkte beeinflussen, doch oft fehlen uns Zeit, Geld oder verlässliche Informationen, um konsequent nachhaltig zu handeln. Deshalb braucht es klare Regeln, wirksamen Verbraucherschutz, transparente Siegel und faire Standards – weltweit und verbindlich.[2]

 

Gleichzeitig liegt es an uns, die eigene Rolle immer wieder kritisch zu hinterfragen: Was brauchen wir wirklich? Was steckt hinter einem „fair“-Label? Wer profitiert – und wer zahlt den Preis? Erst wenn wir uns als Teil eines globalen Systems begreifen, können wir unseren Konsum so gestalten, dass er nicht nur unseren Bedürfnissen dient, sondern auch soziale Gerechtigkeit, Klimaschutz und faire Produktionsbedingungen stärkt. Dekolonisierung beginnt auch im Einkaufswagen – jeden Tag, bei jedem Griff ins Regal.

 

Nichtregierungsorganisationen, soziale Bewegungen und engagierte Konsument*innen spielen dabei eine Schlüsselrolle: Es reicht nicht, nur fair gehandelte Produkte zu kaufen oder auf Siegel zu vertrauen. Wichtig ist auch, sich zu fragen: Wer entscheidet? Wessen Stimmen werden gehört? Und wie können Gemeinschaften vor Ort selbstbestimmt über ihre Ressourcen, ihr Wissen und ihre Zukunft entscheiden?

 

Ernährungssouveränität bedeutet, dass Gemeinschaften selbst bestimmen, wie sie ihre Nahrung anbauen, verteilen und konsumieren – frei von neokolonialen Abhängigkeiten, Ausbeutung oder dem Diktat großer Konzerne. Dafür brauchen sie Unterstützung: durch faire Handelsstrukturen, durch echte Solidarität und durch unsere Bereitschaft, unser Konsumverhalten immer wieder zu hinterfragen.[3]

 

Die gute Nachricht: Jede*r von uns kann etwas bewegen – indem wir Wissen teilen, bewusster einkaufen, lokale und globale Initiativen unterstützen und uns politisch dafür einsetzen, dass faire, nachhaltige und dekoloniale Strukturen gestärkt werden.

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[2]Heidbrink, L. (2018). Wir brauchen mehr nachhaltige Konsument/-innen! Bundeszentrale für politische Bildung. https://www.bpb.de/themen/medien-journalismus/netzdebatte/281705/wir-brauchen-mehr-nachhaltige-konsument-innen/

[3]Welthungerhilfe. (o. D.). NRO und die Dekolonisierung des Ernährungssystems. Welthungerhilfe. https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/agrar-ernaehrungspolitik/nro-und-die-dekolonisierung-des-ernaehrungssystems

Wenn du mehr erfahren willst: Informiere dich hier weiter!

Hier einige Initiativen, die ihr unterstützen, weiter empfehlen und recherchieren könnt: 

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Das Agriculture Justice Project bringt Arbeiterinnen, Bäuerinnen und ihre Gemeinschaften zusammen, um mit gerechten Standards, Wissenstransfer und solidarischem Engagement ein faireres und nachhaltigeres Ernährungssystem aufzubauen.

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Die Working Paper des Projekts Food For Justice sind zugegebenermaßen keine leichte Lektüre der Populärwissenschaft. Nichtsdestotrotz würde ich sie hier gern listen, falls der*die eine oder andere von euch in die wissenschaftliche Fundierung dieser ungleichen Verhältnisse hineinschauen möcht

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Die Initiative La Vía Campesina vereint Millionen landarbeitender Gemeinschaften weltweit, um agrarökologische Landwirtschaft, Ernährungssouveränität und bäuerliche Rechte zu fördern – und globalen Konzernen eine solidarische Alternative entgegenzusetzen

Tipps, zum weiterlesen: â€‹

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Für einen umfassenden Überblick über das Siegellabyrinth könnt ihr dem Button folgen: Die Seite der Bundeszentrale für politische Bildung bietet eine Übersicht über alle Siegel für nachhaltigen Konsum und benennt auch die jeweilige Kritik.​

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Zu den kolonialen Kontinuitäten in der Wirtschafts- und Rohstoffpolitik gibt es auch in diesem Beitrag noch eine Menge zu lernen.

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Initiativen und Vereine wie etwa Leipzig Postkolonial bieten einen Überblick über wichtige Themen des Dekolonialismus, der Dekolonialisierung und lokaler Stadtgeschichte im Zusammenhang damit. 

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Vielen Dank, für eure Aufmerksamkeit.
Bei Fragen und Anmerkungen, findet ihr meinen Kontakt im Impressum.

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